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Freundschaft (Teil 3: Freundschaft und Gemeindeleitung)

Bei der letzten Calvary Chapel Westeuropa-Pastorenkonferenz lehrte Falk Scissek, Pastor der CC Freiburg, über das Thema Freundschaft und Leiterschaft. Dabei betont er eine gesunde Beziehung der Leiter untereinander, und des einzelnen Leiters mit Jesus. Hier das übersetzte Predigtskript:

 

„(…) Ich möchte mir mit euch das Herz der Ältestenschaft anschauen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Art und Weise, in der wir Ältestenschaft leben, einen riesengroßen Einfluss auf die Gemeinden haben wird, in denen wir als Pastoren berufen sind. Es wird sowohl die Atmosphäre für die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft als auch das Gottesbild bestimmen. Ich möchte mir einen Abschnitt anschauen, der mich ganz stark inspiriert (…), 1. Petrusbrief, Kapitel 5, Verse 1-4:

 

Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich als Mitältester und Zeuge der Leiden des Christus, aber auch als Teilhaber der Herrlichkeit, die geoffenbart werden soll: Hütet die Herde Gottes bei euch, indem ihr nicht gezwungen, sondern freiwillig Aufsicht übt, nicht nach schändlichem Gewinn strebend, sondern mit Hingabe, nicht als solche, die über das ihnen Zugewiesene herrschen, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid! Dann werdet ihr auch, wenn der oberste Hirte offenbar wird, den unverwelklichen Ehrenkranz empfangen. “ (SLT)

 

In seinem an mehrere Gemeinden in Kleinasien gerichteten Brief spricht Petrus spezifisch die Ältesten dieser Gemeinden an. Durch seinen offenen Brief lässt er die ganze Gemeinde ‚mithören‘, was er den Ältesten zu sagen hat. Das erste, was uns an diesen Versen auffällt ist, dass Petrus sich offensichtlich nicht auf eine bestimmte Form von Gemeindeleitung konzentriert, sondern sich mehr mit Charakter und Einstellung der Leiter befasst.

 

Petrus spricht die Leiter als Älteste an, worin ein Hinweis auf die Qualifikationen eines Leiters liegt: nicht in erster Linie das Alter, sondern geistliche und soziale Reife. Dann spricht er davon, die Verantwortung der Aufsicht zu haben, wovon sich das Amt des ‚Aufsehers‘ (oder Bischofs) ableitet. Und schließlich gebraucht er den Begriff Pastor, was lateinisch für ‚Hirte‘ steht. Auf diese Weise erklärt er uns die Schwerpunkte in seinem Dienstverständnis: die uns anvertraute Herde zu leiten, sie geistlich zu ernähren und sie zu beschützen. Petrus gebraucht alle drei Begriffe, um die gleiche Gruppe von Ältesten zu beschreiben. Das gleiche Schema begegnet uns im ganzen Neuen Testament. Die Begriffe werden synonym verwendet, da das Neue Testament keinen Schwerpunkt auf die formelle Struktur oder Organisation einer Gemeinde legt.

 

Aus diesem Grund möchte ich das ebenfalls nicht tun, und mich statt dessen auf das Herz der Ältestenschaft konzentrieren. Dabei möchte ich ganz spezifisch zwei Aspekte aufgreifen: Wie sah Petrus sich selbst? Und: Wie sah Petrus Jesus?

 

Wie sah Petrus sich selbst?

Im ersten Teil von Vers 1 bezeichnet sich Petrus als einen Mitältesten. Das erstaunt mich, hätte er sich doch genauso gut als Apostel vorstellen können. Aber das tat er nicht. Er ist ein Mitältester. Er spricht auf Augenhöhe zu ihnen. Er lässt sie wissen: wir sind ebenbürtig, wir arbeiten zusammen, wir sind ein Team. (…) Wir brauchen Unterstützung, um die Last tragen zu können. Ein Ältestenteam macht es möglich, dass jeder gemäß seiner Gaben und Stärken dient, weil die Aufgaben entsprechend aufgeteilt werden können. Ich bin sehr dankbar, dass wir das in unserem Team so praktizieren: Oli konzentriert sich darauf, in den Einzelnen zu investieren, während ich mehr die Gemeinde als Ganzes im Blick habe. Oli hat die Gabe der Anbetungsleitung und ist prophetisch begabt. Kuno ist ein praktisch veranlagter Mann, der die Weisheit eines Vaters von erwachsenen Kindern mitbringt – der Richtige für den Bereich Jüngerschaft. Was für eine Chance, sich so gegenseitig in unseren Begabungen und Persönlichkeiten ergänzen zu können!

 

Es ermöglicht auch, dass wir uns in unseren Schwächen ausgleichen können. Ohne das jetzt namentlich zuzuordnen, aber einer von uns geht gerne vorwärts und hat kein Problem damit, im Nachhinein die Pläne zu revidieren oder notfalls zuzugeben, dass es wohl doch nicht Gottes Führung war. Ein anderer ist mehr der Analytiker und Organisierer. Ihm fällt es schwer, außerhalb eines Plans zu funktionieren. Wieder ein anderer sitzt gerne einfach zu Jesu Füßen und braucht etwas Ermutigung, um tatsächlich in Bewegung zu kommen. In unseren wöchentlichen Treffen, in denen wir über die anstehenden Themen sprechen und beten, kommen diese Schwächen auch zum Tragen, und wir können sie für einander ausgleichen.

 

(…) Manchmal bleiben wir an einer Frage hängen. Dann sagen wir uns: Kommt, wir gehen nach Hause, suchen Gott, sprechen mit unseren Frauen darüber, und machen dann nächste Woche weiter. Unsere Frauen sind ein essentieller Teil unseres Teams und wir schätzen ihre Perspektiven und Einsichten sehr.

 

Ein gut funktionierendes Ältestenteam macht den Dienst effizienter und effektiver. Da bin ich mir sicher. Aber ich glaube auch, dass es noch eine tiefere Ebene gibt. Sachen zu erledigen ist nicht das Wichtigste. Daran muss ich mich ständig erinnern, weil ich gerne Dinge als erledigt abhake. Auf dem Hintergrund einer sich entwickelnden Gemeinde fasziniert mich die Art und Weise, wie Petrus seine Mitältesten anspricht: Ich ermahne euch, ich appelliere an euch. Das Verb, welches hier gebraucht wird, bedeutet, jemanden herbeizurufen, oder an jemandes Seite zu kommen, jemanden einzuladen, zu ersuchen, anzuflehen, oder an anderen Stellen sogar zu trösten. Petrus sagte nicht zu den anderen Ältesten: ‚Kommt, folgt mir nach‘, noch sagte er ‚Kommt, wir können das besser‘, oder ‚Wir teilen uns alle auf und jeder macht das, was er am Besten kann‘. Nein, er sagt: ‚Kommt an meine Seite. Kommt nah an mich heran‘.

 

Das erinnert mich an das, was Jesus zu seinen Jüngern sagte: ‚Ich nenne euch nicht mehr Diener‘. Was sagte er dann? ‚Ich nenne euch Angestellte‘? Oder sogar ‚Ich nenne euch Kollegen‘. Nein! Er sagte ‚Ich nenne euch Freunde‘. Jesus hatte keine professionelle Seite. Er hielt niemanden auf Distanz. Und das, obwohl es, wenn irgendwo, dann in der Beziehung zwischen dem Gottessohn Jesus und sündhaften Menschen angemessen gewesen wäre. Zwischen beiden liegt von Natur aus eine riesige Kluft. Aber Jesus hat sie überbrückt. Er kam uns nahe. Jesus wurde völlig Mensch und ließ es zu, dass die Jünger Seite an Seite mit ihm gingen. Er nahm Petrus, Jakobus und Johannes sowohl mit auf den Berg der Verklärung als auch in den Garten Gethsemane – sowohl die herrlichen, als auch die hässlichen Seiten des Dienstes (…).

 

Wenn Gott selbst das in Jesus getan hat, sollte es da nicht erst recht auch für uns natürlich sein? Wir müssen folgendes begreifen: In Menschen zu investieren ist kein Mechanismus zum Gemeindewachstum. Jüngerschaft ist nicht einfach eine professionelle Methode, um ein Ziel zu erreichen. In der Vorbereitung auf diese Predigt hat Gott mich überführt, dass ich zu sehr der Boss bin, zu sehr der professionelle Kollege, und nicht genug der Freund. Sind eure Ältesten eure Nachfolger, Diener, Kollegen oder sind sie eure Freunde? (…)

 

Ich möchte gerne in einer tieferen, geistlichen Gemeinschaft mit meinen Mitältesten leben, auf eine Weise, die Jesu Charakter und die Art, wie er seine Jünger, seine Freunde behandelte, widerspiegelt. Ich sehe meine Rolle als Ersten unter Gleichen, mit einer besonderen Leitungsverantwortung. Aber ich will meine Mitältesten als Freunde an meiner Seite sehen, und sie nicht hinter mir herschleifen müssen. Und das ist es, was Petrus getan hat. Er sah sich selbst als jemanden, der mit seinen Mitältesten auf Augenhöhe stand. Auch wenn er es als seine Verpflichtung sah, die Initiative zu ergreifen, und seine Freunde an seine Seite zu rufen. Manchmal haben wir Angst, dass wir Respekt verlieren, wenn wir uns auf eine Freundschaft einlassen. Ich glaube, dass muss nicht passieren, und Jesus ist auch darin unser Vorbild. Petrus ebenso. Er ruft sie an seine Seite und spricht in ihre Leben hinein.

 

Es stimmt: Den Leuten ist es egal, wie viel du weißt, es sei denn, sie wissen, dass sie dir nicht egal sind. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Art von Beziehung, welche die Ältesten miteinander leben, in großem Maße die Atmosphäre der Gemeinde bestimmen wird. Ihr werdet zum Vorbild – sei es für Konkurrenzdenken und Misstrauen oder für Liebe und herzliche Gemeinschaft, abhängig davon, ob es professioneller Dienst ist, oder ein Dienen von Herzen.

 

Und ich möchte noch einen weiteren Aspekt nennen, der die Gemeinschaft der Ältesten untereinander unersetzlich macht: Rechenschaft. Manchmal höre ich Beschwerden darüber, dass es an der Spitze, in einer leitenden Position, so einsam sei. Ich verstehe, was damit gemeint ist. Aber wir müssen uns fragen, ob das Problem nicht bis zu einem gewissen Grade hausgemacht ist. Wenn wir einen Platz oben auf der Pyramide einnehmen, sollten wir uns nicht wundern, dass da keiner mehr neben uns sitzt. (…)

 

Mit wem stehst du auf Augenhöhe? Wer tritt dir entgegen? Besonders bei den ernsteren Dingen wie Charakterschwächen – wenn du vielleicht eine Person in der Gemeinde unfreundlich behandelt hast? (…) Ich brauche diese Herausforderung. Außerdem: haben wir keine Ältesten, die diesen Job übernehmen, werden sich unsere Frauen dafür verantwortlich fühlen. Aber wenn das der einzige Weg ist, um zu dir durchzudringen, um dir als Leiter Feedback zu geben, wird das die Ehe stark belasten. Es wird darauf hinauslaufen, dass sich alle Leute mit ihren unterschwelligen Botschaften für den Pastor an dessen Ehefrau wenden werden. Es ist ein großer Segen, ein funktionierendes Ältestenteam haben zu können: die Ältesten treten mir auf den Schlips. So liegt der Druck, mich mit meinen Fehlern korrigieren zu müssen, nicht auf meiner Frau. Die ist nämlich bereits ohne diese dienstlichen Probleme schon ausgelastet.

 

Wie sah Petrus Jesus?

Das erste, was wir uns angeschaut haben, war also Petrus‘ Selbstverständnis. Als Mitältester, als Erster unter Gleichen, der andere als Freunde an seiner Seite haben wollte, die nicht nur den Dienst, sondern das Leben miteinander teilten. Damit bestimmte er die Atmosphäre für die Beziehungen in der Gemeinde, und legte die Grundlage für die Rechenschaft, die wir alle nötig haben.

 

Nun wollen wir uns damit auseinander setzen, wie Petrus Jesus sieht. Und auch das hat mit Ältestenschaft zu tun, weil es dabei auch darum geht, darauf zu achten, dass Jesus den Platz in der Gemeinde hat, der ihm gebührt. In Vers 4 nennt er Jesus den obersten Hirten. Wahrscheinlich erinnert er sich daran, dass Jesus sich selbst als guten Hirten bezeichnet hatte (Johannesevangelium, Kapitel 10). Um Jesus von allen anderen Ältesten abzuheben, fügt er das Wort ‚oberster‘ hinzu. Jesus ist der Oberhirte, nicht bloß einer der Hirten. Begreifen wir das? Leben wir danach? Reflektiert sich das in unserer Gemeindestruktur, unseren Dienste, und in den Titeln, die wir einander geben?

 

Ihr wisst, dass das Wort ‚Pastor‘ ‚Hirte‘ bedeutet. Jemand wies mich darauf hin, dass ‚oberster‘ auch ‚Haupt-‚ übersetzt werden kann. Eine mögliche Übersetzung des Titels ‚Oberhirte‘ wäre demnach ‚Hauptpastor‘ [od.: ‚leitender Pastor‘]. Das ist einer der Titel, die Jesus in der Bibel bekommt. Das hat mich – ehrlich gesagt – ziemlich getroffen. Und ich habe die Verwendung von Titeln überdenken müssen. Trotz alledem ist mir klar, dass es nicht um Titel und Bezeichnungen, sondern um das Herz geht. (…)

 

Es ist mein Herzenswunsch, dass die Menschen in unserer Gemeinde verstehen, wer wir vor Gott sind. Die Gemeinde wird mit einem Körper verglichen, und der Kopf dieses Körpers ist: der leitende Pastor, Jesus! Wir müssen irgendwie versuchen, dieses Denken aus unseren Köpfen zu verbannen, dass es unsere Gemeinde ist, als besäßen wir sie. Macht korrumpiert. Wir sind unserer sündhaften Natur gegenüber nicht immun, sie kann uns beherrschen. Es ist der Stolz, der sich einschleicht. Wir müssen mit der Macht, die wir haben, so vorsichtig sein! Ich weiß, dass es sich gut anfühlt, wenn man das Sagen hat, wenn die Menschen zu einem hochschauen. Es füttert mein Ego, wenn ich bestimmen kann. Aber es ist falsch. Es ist nicht meine Gemeinde, sondern die von Jesus. Er bestimmt, er ist der leitende Pastor, er gibt die Richtung an, wir folgen. Dazu brauchen wir Rechenschaft, die ein funktionierendes Team von Ältesten bieten, und bei der sie auf sehr praktische Weise helfen kann. Die Leiterschaft mit anderen Ältesten zu teilen nimmt der zentralen Stellung das Prestige. In unserer Gemeinde stehe ich trotzdem noch häufiger auf der Bühne als die anderen Ältesten, weil Gott mir die Gabe des Lehrens und der Leitung gegeben hat. Aber ich übernehme nicht die ganze Lehrtätigkeit. Ungefähr jeden dritten Sonntag lehrt jemand Anderes. Und ich leite nicht in jedem Bereich. Jeder Älteste ist für einen bestimmten Dienstsektor, über den er die Aufsicht hat, verantwortlich. Ich bin Erster unter Gleichen, aber ich bin nicht bei Allem der Erste. Wenn es darum geht, Leute zu konfrontieren, ist Kuno der Erste. Wenn es darum geht, für die Kranken zu beten, ist Oli der Erste. Das hat sich einfach ganz natürlich so ergeben, indem wir uns immer besser kennenlernten. Es ist mein Gebet, dass die Art und Weise, in der wir miteinander arbeiten, für den Rest der Gemeinde eine Inspiration dafür sein kann, als Körper mit den verschiedenen Gaben und Rollen unter der Leitung von Jesus Christus zu funktioneren.

 

Einen letzten Gedanken: Worauf letztendlich alles hinausläuft, ist, dass wir in erster Linie nicht Hirten, sondern Schafe sind. Das ist ein Schlüssel. Das ‚Schaf Sein‘ lassen wir nie abgeschlossen hinter uns, um dann dazu überzugehen, Hirte zu sein. Genau genommen können wir keine Hirten sein, wenn wir nicht die Schafe Jesu sind.

 

Einen letzten Vers aus dem selben Brief:

 

Denn ihr wart wie Schafe, die in die Irre gehen; jetzt aber habt ihr euch bekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen.“ (2,25; SLT)

 

Damit sind wir alle gemeint. Wir sind die Schafe, die in die Irre gingen. Und wir wurden zurück in seine Herde gebracht. In seiner Gnade hat er uns zurück gebracht, in seiner Gnade macht er uns zu Hirten an seiner Statt, um so seinen Charakter an den Tag zu legen und Menschen auf ihn zu verweisen. Aber in all dem bleiben wir seine Schafe. Kann es einen besseren Trost geben, als dass wir wissen können, dass wir einen Oberhirten haben? Wenn wir leiten, so müssen wir uns nicht eine Richtung ausdenken, sondern wir folgen unserem Herrn nach. Wenn wir dienen, müssen wir nicht auf das bauen, was wir herausgefunden haben, sondern wir haben die Wahrheit von Gottes Wort und das Zeugnis seines Geists. Und wir brauchen die Herde nicht in eigener Kraft zu beschützen, sondern in der Stärke, mit der Gott versorgt. Möge das durch unseren Leitungsstil, gemeinsam mit den Ältesten, unter der Leitung von Jesus, sichtbar werden.

 

 

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