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Notizen vom letzten Gebetstreffen

Am Samstag hatten wir ein gutes Gebetstreffen. Danke nochmal an Carlo, dessen Wohnung wir nutzen durften, und Anja und Janos für das Mittagessen! Für alle, die gerne da gewesen wären, hier eine ausführlichere Fassung von dem, was ich einleitend gesagt habe. Die Frage, die als Ausgangspunkt diente, war:

Was ist das höchste Ziel der Gemeinde?

Der amerikanische Ethiker und Theologe Richard Niebuhr schrieb einen interessanten Aufsatz über den Zweck der Gemeinde und ihrer Dienste. Er beschreibt, wie unterschiedlich die Frage nach der Aufgabe der Gemeinde beantwortet worden ist bzw. wird. Die einen sehen die Bekehrung des Einzelnen, die anderen die Erlösung der ganzen Gesellschaft als großes Ziel, wobei meistens klar ist, dass es hier nicht um eine Entweder-Oder-Frage geht. Dann vergleicht er die Tendenzen der Protestantischen und der Katholischen Traditionen. Die Protestanten neigen eher dazu, die Liebe und Hingabe zur Bibel als großes Ziel hochzuhalten, während die Katholiken die Liebe und Hingabe zur Kirche anstreben. Niebuhr schreibt:

„…in der Praxis ist das Konzentrieren auf das Buch eine Form der Selbstkorrektur, da die Bibel (wenn sie gewissenhaft studiert wird) nicht zulässt, dass jemand sie als höchstes Gut verehrt, oder ihre Verherrlichung als Endziel verfolgt. Sie zeigt immer von sich selbst weg – nicht so sehr zu ihrem Gefährten, den Menschen, als vielmehr zum Schöpfer, dem leidenden und auferstandenen Herrn und zu dem, der sie inspirierte. Das Gleiche gilt für die Gemeinde. Sie verliert ihre Identität als Gemeinde, wenn sie sich nur auf sich selbst konzentriert, sich selbst anbetet, oder versucht, die Liebe zur Kirche zum größten Gebot zu erheben.“

Statt dessen, so Niebuhr, gibt es ein Ziel, dass (meiner Meinung nach) vor Allem dadurch besticht, dass es 100%ig zum Wesen und Willen Gottes passt: dass die Liebe der Menschen zu Gott und der Menschen untereinander zunimmt. Dass mehr Menschen Gott kennen und lieben lernen, und dann – daraus fließend – lernen, einander so zu lieben, wie sie geliebt worden sind. Niebuhr schreibt:

„Die Bezeichnungen sind unterschiedlich: manche sprechen symbolisch von der Versöhnung mit Gott und den Menschen, andere von zunehmender Dankbarkeit für die Sündenvergebung, andere von der Verwirklichung des Gottesreichs oder dem Kommen des Geistes, wieder andere vom Annehmen des Evangeliums. Aber die einfachen Worte Jesu stellen für die meisten Christen die verständlichste Antwort dar(…). Wenn die Zunahme der Liebe zu Gott und dem Nächsten das höchste Ziel ist – wäre es möglich, dass ein Teil unserer Verunsicherungen und Konflikte in Kirchen und Seminaren darin begründet ist, dass wir darin versagen, dieses Ziel vor Augen zu behalten, und statt dessen damit beschäftigt sind, naheliegende Ziele zu verfolgen, die zwar wichtig sind, uns aber in Interessenkonflikt bringen, wenn man sie nicht in Bezug zu dem Endziel setzt?“

…und weiter:

„In der Sprache der Christen ausgedrückt ist die Liebe zu Gott und dem Nächsten sowohl „Gesetz“ als auch „Evangelium“. Sie ist sowohl die Anforderung, die der Bestimmer aller Dinge den Menschen auferlegt, als auch das gegebene Geschenk (…) in der Selbstaufgabe des Geliebten. Sie ist der Anspruch des Schöpfers an die unendlich aufstrebende menschliche Natur. Deren Perversion durch Götzendienst, Feindschaft und Egoismus ist das Herz der menschlichen Tragödie. Ihre Wiederherstellung, Neuausrichtung und Befähigung ist die Erlösung vom Bösen. Liebe zu Gott und dem Nächste ist das Geschenk, dass uns durch Jesus Christus gemacht wurde. Der bewies durch seine Fleischwerdung, seine Worten und Taten, seinen Tod und seine Auferstehung, dass Gott Liebe ist. Eine Liebesbekundung, die wir eher schlecht begreifen…aber trotzdem ausreichend erkennen, um davon zur Gegenliebe bewegt zu werden. Der Zweck des Evangeliums ist nicht einfach, dass wir an die Liebe Gottes glauben, sondern dass wir ihn und unseren Nächsten lieben. Der Glaube an Gottes Liebe zum Menschen wird durch unsere Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen vollendet.“

Wie kann eine Gemeinde dieses Ziel konkret erfüllen? Die Antwort auf diese Frage ist gleichzeitig die Vision für soulfire.

Wie die Gemeinde die Liebe zu Gott und den Menschen fördert

1. Liebe zu Gott

a) Durch Erkenntnis. Die Gemeinde muss die christliche Botschaft verkündigen. „Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber sollen sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber sollen sie hören ohne einen Prediger?“ (Römer 10,14) Durch die Verkündigung (Predigt, Lehre) verbreitet die Gemeinde die Erkenntnis Gottes. Menschen bekommen Informationen über den Gott der Bibel. (Natürlich geht es bei der Predigt um viel mehr als das, aber diese Information ist die Grundlage für das ‚viel mehr‘ der Predigt.)

b) Durch Erfahrung. Die Gemeinde soll den Menschen aber nicht nur von Gott erzählen, sondern einen Raum schaffen (bzw. dieser Raum sein), in dem diese Menschen eine Begegnung mit Gott haben können. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Johannes 13,35) Die Menschen sollen Gott erfahren können – indem sie christliche Gemeinschaft beobachten und selbst erleben. Dazu gehören meiner Meinung nach besonders gemeinschaftliche Gebets- und Anbetungszeiten, aber natürlich auch geistliche Gespräche, Predigten und der allgemeine Umgang miteinander. „Während er zuhört, werden seine geheimen Gedanken offenbar, und er wird auf seine Knie fallen und Gott anbeten und sagen: »Gott ist wirklich hier unter euch.«“ (1. Korinther 14,25; NL)

c) Durch Gehorsam. Die Erkenntnis Gottes, die man durch Predigten erlangt und die Erfahrungen, die man durch christliche Gottesdienste und Gemeinschaft macht, sollen letztendlich auf diesen Punkt hinauslaufen. Auch hier sind Predigt und Gemeinschaft wichtig: durch sie wird der Mensch herausgefordert und darin bestärkt, Gott zu gehorchen. „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Johannes 14,15) „Nachdem nun Gott die Zeiten der Unwissenheit übersehen hat, gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle überall Buße tun sollen“ (Apostelgeschichte 17,30).

2. Liebe zum Mitmenschen

Wodurch fördert die Gemeinde die Liebe der Menschen untereinander?

a) Durch echtes Interesse. „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Leben ist nicht Tod, sondern die Gefühllosigkeit.“ (Elie Wiesel; jüdischer Schriftsteller und Auschwitz-Überlebender). Der erste Liebesbeweis ist das echte Interesse an meinem Nächsten. In einer Gemeinde soll sowohl das echte Interesse am einzelnen Menschen als auch an den Nöten und Problemen der Stadt zu sehen sein.

b) Durch starke Präsenz. Wenn die Gemeinde ihren Einfluss ausüben will, darf sie sich nicht verstecken. Es geht nicht darum, dass sich eine Gemeinde einen Namen macht, um bekannt zu sein, und sich dann erfolgreich zu fühlen. Jesus fordert von seinen Nachfolgern, dass sie für alle sichtbar sind: „Ihr seid das Licht der Welt – wie eine Stadt auf einem Berg, die in der Nacht hell erstrahlt, damit alle es sehen können. Versteckt euer Licht nicht unter einem umgestülpten Gefäß! Stellt es lieber auf einen Lampenständer und lasst es für alle leuchten. Und genauso lasst eure guten Taten leuchten vor den Menschen, damit alle sie sehen können und euren Vater im Himmel dafür rühmen.“ (Matthäus 5,14-16; NL) Laut Jesus sollen wir besonders unsere Taten sprechen lassen. Die Gemeinde zeigt ihre Liebe zur Stadt durch ihre starke Präsenz. Aber auch dadurch, dass der Einzelne ausgerüstet und gestärkt wird, um in seinem alltäglichen Umfeld (Schule, Uni, Beruf, Familie, Freunde) ganz klar als Christ präsent sein kann.

c) Durch aufopfernden Dienst. Wir müssen Interesse zeigen, wir müssen präsent sein – und dann müssen wir dienen. Genauso wie selbst Jesus nicht kam, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. (Markus 10,45) Jesus diente den Menschen nicht nur durch Evangelisation. Er gab den Menschen Aufmerksamkeit, Liebe, Gerechtigkeit, Würde, Wahrheit, Heilung und Vergebung. Er war bereit, sich selbst zu opfern, damit diese Dinge in der Welt zunehmen können. Die Gemeinde ist dazu da, der Stadt zu dienen, sich für sie einzusetzen und aufzuopfern.

Liebe zu Gott und dem Nächsten – genauso lautet John Wesley’s Erklärung des Begriffs ‚Herzensreligion‘, genau das ist die Idee und die Vision von soulfire. Es ist das Feuer dieser Liebe, dass in unserem Innern (unserem Herzen, unserer Seele) brennen soll. Das ist mein Wunsch, meine Vision für Köln: dass durch soulfire Gemeinden die Liebe zu Gott (durch Erkenntnis, Erfahrung und Gehorsam) und die Liebe zum Mitmenschen (durch echtes Interesse, starke Präsenz und aufopfernden Dienst) in dieser Stadt zunehmen.

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