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Treffen Nummer Sieben

…weil wir gestern Abend erst wiedergekommen sind, nochmal auf den letzten Drücker: die Erinnerung an unser Treffen morgen. Wir treffen uns wieder bei uns in der Victoriastraße 28, ab 17 Uhr und mit Abendessen & Kinderbetreuung.

In unserem siebten Interessiertentreffen sprechen wir über die letzten drei Abschnitte aus unserer Dienstphilosophie: interkulturelle Versöhnung (weil wir’s beim letzten Mal nicht geschafft haben), über diakonischen Dienst (mehr Infos hier und hier) und über Gemeindegründungsbewegungen.

Ab dem nächsten Mal werden wir uns dann konkret an die Planung erster Gottesdienste begeben!

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Eine Vision für praktische Nächstenliebe (Teil 2)

„Gottes Methode ist der Mensch.“ (Unbekannt)

Mensch Sein bedeutet, Bedürfnisse und Einschränkungen zu haben. Deswegen brauchen wir einander. Als Menschen sind wir von Natur aus ein nicht zu entwirrendes Knäuel von unterschiedlichen Nöten. Dazu kommen die durch den Sündenfall hervorgerufenen Nöte: Wir brauchen Heilung und Vergebung.

Als Christen glauben wir an einen Gott, der ein weiches Herz hat. Unsere Bedürftigkeit und Verlorenheit bewegen ihn zur Hilfe. Das wird in der Menschwerdung und im Tod von Jesus Christus sichtbar. Weil er seine Schöpfung (und besonders den Menschen) liebt, wird er eines Tages alles wiederherstellen: „Er wird alle ihre Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offenbarung 21,4; NGÜ)

Uns ist klar, dass Gott nicht zu uns gekommen ist, weil wir es verdient hätten, sondern weil wir so bedürftig sind – und er so ist, wie er ist. Deswegen sehen wir uns selbst in dem bedürftigen Nächsten. Wie können wir das jetzt in die Praxis übertragen? Wie können wir ‚Taten sprechen lassen‘, und so zeigen, dass wir wirklich von Gottes Gnade verändert worden sind?

1 – Indem wir bewusster und hilfsbereiter durchs Leben gehen. Weil Selbstverliebtheit und Selbstgerechtigkeit der Standardmodus des menschlichen Herzens sind, muss das Evangelium uns jeden Tag neu packen und unseren Blick wieder nach außen richten.

2 – Indem wir in der Gemeinde, die wir gründen, ein Diakonat einrichten. Das Diakonat wird die Aufgabe haben, konkreten Bedürfnissen zu begegnen. Dabei gilt Galater 6,10 als Richtlinie:

„Lasst uns jede Gelegenheit nutzen, allen Menschen Gutes zu tun, besonders aber unseren Brüdern und Schwestern im Glauben.“ (NL)

Als Glaubensfamilie sind wir zuerst für einander verantwortlich (so wie jeder Christ zuerst für seine leibliche Familie verantwortlich ist). Deswegen werden wir ein Programm brauchen, um bei den Nöten innerhalb der Gemeinschaft Abhilfe zu schaffen.

Doch dann gilt unser Engagement natürlich auch unserer Stadt und der Welt um uns herum. Dabei geht es uns in erster Linie nicht darum, die Gesellschaft umzukrempeln, sondern das Evangelium zu bezeugen. Deswegen möchten wir mit anderen christlichen Werken in der Stadt vernetzt sein. Gemeinsam wollen wir so deutlich machen, dass diese Welt kein gottverlassener Ort ist.


Eine Vision für praktische Nächstenliebe (Teil 1)

„Wir bekennen uns zum Christentum. Wir behaupten von uns, Nachfolger Jesu zu sein, und nach dem Evangelium zu leben. Wir haben Bibeln in unseren Häusern. Deswegen wollen wir uns nicht so verhalten, als hätten wir noch nie eine Bibel gesehen, als würden wir den christlichen Glauben nicht kennen, oder wüssten nicht, was für eine Religion das Christentum ist.“ (Jonathan Edwards; Christian Charity)

„Wohltätigkeit…ist ein wesentlicher Teil christlicher Moral.“ (C. S. Lewis)

In freikirchlichen Kreisen ist soziales Engagement im Moment ziemlich trendy. Aber eigentlich gehört es zum klassischen Christentum wie Bibel, Gebet und Kirche. Christen geben, Christen helfen, Christen dienen. Die Präsenz einer christlichen Kirche soll eine gute Nachricht für alle Armen und Bedürftigen sein – und so ist es in der Geschichte auch sehr oft gewesen. Wir möchten auch in diesem Sinne in der guten Tradition christlicher Kirchen stehen, und eine Bereicherung für Köln sein.

Was braucht es dazu?

Ein biblisches Menschenbild.

Die Bibel erfasst die uns bekannten menschlichen Nöte (psychologisch, sozial, materiell). Aber sie geht weiter, und nennt uns den Grund für die Existenz der Bedürfnisse. Es gibt eine theologische Not, die allen anderen Nöten zugrunde liegt: unsere Entfremdung von Gott. Alle anderen Nöte sind Symptome für diese Ursache.

Weil der Mensch eine Einheit ist, bedingen und beeinflussen sich die unterschiedlichen Bedürfnisse. Es ist deswegen praktisch unmöglich, die Bereiche unseres Lebens von einander zu trennen. Deswegen gehören auch die unterschiedlichen Arten der Hilfe untrennbar zusammen – das Evangelium kann nicht von konkreter Hilfe getrennt werden.

Ein biblisches Gottesbild.

Gottes großes Ziel ist es, die ganze Schöpfung zu erlösen. Er hat mehr im Blick als nur die innerlichen Nöte. Weil er den ganzen Menschen liebt, lassen ihn unsere vielfältigen Bedürfnisse nicht kalt. Seine besondere Zuneigung gilt den Armen, Benachteiligten, Schwachen, Kranken und Notleidenden. Man kann die Bibel nicht lesen, ohne ständig mit dieser Tatsache konfrontiert zu werden. Seine Barmherzigkeit ist der Grund dafür, dass Gott der Sohn in Jesus Christus Mensch wurde. Jesus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Wenn wir ihn sehen, sehen wir den Vater. Die Evangelien machen deutlich: Jesus kümmerte sich um sämtliche menschlichen Nöte.

Ein geglaubtes Evangelium.

Zahlreiche Stellen im Alten wie im Neuen Testament machen die praktische Nächstenliebe zum Prüfstein für eine richtige Gottesbeziehung. Warum? Weil jemand, der das Evangelium glaubt, sich mit den Armen, Kranken und Bedürftigen identifizieren wird. Er wird realisieren: Geistlich gesehen war ich der Bettler und der Blinde. Aber weil er ein weiches Herz hat, kam Gott in Jesus zu mir, und machte mich reich, heilte mich. Diese unverdiente Barmherzigkeit und freundliche Liebe Gottes wird meine Gefühle für meine Mitmenschen radikal verändern. Mein Dienst am Nächsten wird nicht herablassend sein. Ich werde es nicht als bloße Pflichterfüllung sehen. Statt dessen werde ich von echter Dankbarkeit bewegt sein. Dieser Vorgang ist kein Automatismus – wir müssen uns immer wieder mit dem Evangelium konfrontieren (lassen).

Ein gelebtes Evangelium.

Auf diese Weise führt das Evangelium von Gottes Gnade dazu, dass Menschen es durch ihr Leben weitererzählen. Christen dürfen nicht darauf schauen, wer Hilfe verdient hat. Sie dürfen ihr Herz nicht verhärten, wenn sie menschliche Not sehen. Wo wären wir, wenn Gott nur denen helfen würde, die es verdienen? Oder wenn er sich dazu entschieden hätte, sich von unserer Verlorenheit nicht bewegen zu lassen? Für uns ist der Dienst an unserem Nächsten und an der Stadt deswegen eine Form der Kommunikation, der Predigt. Wir demonstrieren dadurch, was wir glauben: dass das Evangelium eine verändernde Kraft ist.


soulfire DNA – Teil 8: Nach außen gewandt (Teil 1)

Was ist eine nach außen gewandte Gemeinde? Wie entsteht sie? Und warum ist diese Eigenschaft so wichtig? Um diese Fragen für die Gemeinde zu beantworten, will ich am Beispiel eines einzelnen Menschen erklären, welcher Prozess da abläuft, welche Kraft am Werk ist, und welches Ziel verfolgt wird.

Wie der Mensch tickt.

Jeder Mensch lebt für sich selbst. Bei allem, was er tut, ist er letztendlich auf sich selbst ausgerichtet. Bonhoeffer schrieb: „Sünde ist die Verkehrung des menschlichen Willens (Wesens) in sich selbst. (…) Als sündiger Akt ist jede Entscheidung, die in selbstsüchtigem Sinne fällt, zu beurteilen.“ Das heißt, Sünde ist vor Allem eine Ausrichtung – die Ausrichtung auf sich selbst.

Das kann in der Praxis ganz unterschiedlich aussehen. Da gibt es auf der einen Seite diejenigen, welche die Selbstverwirklichung zur höchsten Tugend erhoben haben. Bei denen ist das wichtigste, das höchste Gut, dass ‚man seinen eigenen Weg geht‘. Persönliche Erfüllung und persönliches Glück sind die großen Lebensziele. Zum Erreichen dieser Ziele nutzen sie zwei Mittel: Selbstfindung (eigene Persönlichkeit, Wünsche und Träume entdecken) und Selbstbefreiung (Abschütteln aller inneren oder äußeren Einschränkungen). Diese Menschen haben eine starke Sehnsucht nach Freiheit, Erfolg und Spaß. Diese Lebensinhalte verfolgen sie pragmatisch: was ihnen hilft, diese Sehnsüchte zu stillen, darf bleiben (da kann auch die Religion zu gehören), was ihnen im Weg steht, fliegt über Bord. Sie haben offensichtlich ein egozentrisches Weltbild.

Auf der anderen Seite ist die ‚alte Schule‘. Das sind die Menschen, welche versuchen, ohne Reflexion und Rebellion glücklich zu werden. Man versucht, sich anzupassen, einzufügen und unterzuordnen – sei es in der Familie, der Gesellschaft, dem Staat oder der Kirche. Man tut ‚das Gute‘ und lässt ‚das Böse‘. Oberflächlich betrachtet das krasse Gegenteil zur anderen Seite. Doch die geistliche Dynamik, die Ausrichtung, die dahinter steht, ist die selbe. Der ‚gute Mensch‘ ist genauso auf sich selbst ausgerichtet. Für ihn sind die guten Taten, das ‚brav Sein‘, sogar die Frömmigkeit nur Mittel zum Zweck. Er sehnt sich nach Geborgenheit und Sicherheit. Und das versucht er, für sich zu erreichen, indem er sich an die gesellschaftlichen Normen hält.

Verlorenheit bedeutet u. a., dass der Mensch (egal, zu welcher Gruppe er tendenziell eher gehört) nur noch sich selbst hat. „Und jeder Gemütszustand, jedes sich Verschließen des Geschöpfes in dem Verließ seines eigenen Gemüts, ist am Ende Hölle.“ (C. S. Lewis) Er kann nicht anders, als sich um sich selbst zu drehen. Selbst bei den Persönlichkeiten, die sich völlig für andere aufopfern, kann es sein, dass sie es letztendlich für das eigene Gewissen, für das eigene Seelenheil tun. Der Mensch ist „in sich selbst gekrümmt“ (Luther), er „kann nicht nicht sündigen“ (non posso non peccare – Augustinus).

„Der Mensch tendiert immer dazu, sich nach innen anstatt nach außen zu wenden, weil er sich selbst ins Zentrum des Universums stellt und nicht Gott. (…) Das ist der Mensch in seiner Rebellion gegen Gott.“ (Francis Schaeffer)

Was das Evangelium bewirkt.

Jesus ist gekommen und gestorben, um uns aus diesem Gefängnis zu befreien. Durch seinen Tod am Kreuz wird Gottes radikale Liebe zu uns deutlich. Und die Botschaft von dieser Liebe zerbricht unsere Ketten. Gott ist Liebe. Er hat uns zuerst geliebt. Als wir noch Sünder waren, ist er für uns gestorben. Wenn wir das glauben, bewirkt diese Liebe in uns Gegenliebe. Sie befähigt uns, das zu tun, was wir vorher nicht tun konnten: wir hören auf, selbstzentriert zu sein, und beginnen, uns um Gott zu drehen. Und so wird auch selbstlose Nächstenliebe möglich. Luther beschreibt diesen Vorgang wunderbar:

„Der Glaube nämlich hat die Art an sich, dass er von Gott alles Gute erwartet und allein auf ihn sich verlässt. Aus diesem Glauben heraus erkennt dann der Mensch, wie Gott so gut und gnädig ist, und aus dieser Erkenntnis heraus wird sein Herz so weich und barmherzig, dass er jedermann auch gerne so wohl tun möchte, wie er fühlt, dass ihm Gott getan hat. So bringt er seine Liebe zum Ausdruck und dient seinem Nächsten von ganzem Herzen, mit Leib und Leben, mit Gut und Ehre, mit Seele und Geist und gibt alles für ihn dran, wie Gott ihm getan hat. Darum sieht er sich auch nicht nach gesunden, hohen, starken, reichen, edlen, heiligen Leuten um, die ihn nicht brauchen, sondern nach kranken, schwachen, armen, verachteten, sündigen Menschen, denen er nützlich zu sein vermag, an denen er sein weiches Herz üben und tun kann, wie Gott ihm getan hat.“ (Luther)

Von der katholischen Seite bekommen wir diese Erklärung von Papst Benedikt XVI: „Im Gegensatz zu der noch suchenden und unbestimmten Liebe ist darin die Erfahrung von Liebe ausgedrückt, die nun wirklich Entdeckung des anderen ist und so den egoistischen Zug überwindet, der vorher noch deutlich waltete. Liebe wird nun Sorge um den anderen und für den anderen. Sie will nicht mehr sich selbst — das Versinken in der Trunkenheit des Glücks –, sie will das Gute für den Geliebten: Sie wird Verzicht, sie wird bereit zum Opfer, ja sie will es.“ (Deus Caritas Est)

Das Evangelium von Jesus Christus befreit den Menschen, der sich nur um sich selber drehen konnte, und befähigt ihn dazu, anderen Menschen zu dienen. Die Motivation ist nicht Angst vor Strafe, oder die Hoffnung, die eigene Seele retten zu können, sondern Dankbarkeit und Freude über die unverdiente Liebe Gottes. Am Anfang des Weges mit Jesus ist das Realisieren und das Umsetzen dieser Freiheit oft noch ziemlich schwach. Jesus nachzufolgen heißt, in dieser Liebe praktisch zu wachsen. So funktioniert also das Evangelium: es kommt zu einem selbstzentrierten Menschen und macht ihn zu einem Gott-zentrierten Menschen, der für seine Mitmenschen lebt.

Was das für die Gemeinde bedeutet.

Leider fällt es häufig schwer, den gedanklichen Sprung vom Einzelnen zur Gruppe zu schaffen. Selbst wenn wir kapiert haben, wie wir als Menschen ticken, und was das Evangelium beim Einzelnen bewirkt, ist uns oft nicht klar, dass wir diese Erkenntnis dann auch auf die Gemeinde übertragen müssen:

Genau wie der einzelne Mensch hat auch eine Gemeinde die natürliche, sündhafte Tendenz zur Selbstzentriertheit. Passt man nicht auf, dreht sich die Gemeinde nur um sich selbst. Sie existiert dann zum Selbstzweck. Jedem soll es ‚geistlich gut gehen‘, wobei geistliche Reife eigentlich ganz anders aussieht. Natürlich soll die Gemeinde dazu da sein, Christen zu stärken, aufzubauen und auszurüsten, damit sie im Alltag als Christen leben können. Aber starke, lebendige Christen sind eigentlich nicht das Endziel, sondern Mittel zum Zweck.

Um dem natürlichen, aber falschen Denken entgegenzuwirken, muss man bewusst das Evangelium auf die Gemeinschaft anwenden. Man muss sich mit der Frage beschäftigen, wozu das Evangelium uns als Gemeinde machen will. Wie sollte das Evangelium der Gnade Gottes eine Gemeinde formen?

Die missionale Gemeinde.

Es gibt evangelistische Gemeinden, missionarisch aktive Gemeinden und missionale Gemeinden. Bei den ersten zwei Modellen stehen eigentlich eher Aktivitäten und spezielle Dienste im Vordergrund: evangelistische Veranstaltungen und Weltmission werden ermutigt und unterstützt. Und diese Dinge sind natürlich notwendig und wichtig. Doch die missionale Gemeinde geht noch etwas weiter – oder sollte ich sagen: tiefer? Bei der missionalen Gemeinde geht es überhaupt nicht in erster Linie um Aktivitäten oder Methoden, sondern um ein theologisches Selbstverständnis: der Platz der Gemeinde in der Missio Dei.

„Missional meint eine Art Glauben und Gemeinde zu leben, die sich an der Mission Gottes orientiert und mitten im Leben stattfindet.“ (Stefan Lingott)

„Die zentrale Realität ist weder Wort noch Tat, sondern das komplette Leben der Gemeinschaft: befähigt durch den Geist, um in Christus zu leben, seine Leidenschaft zu teilen, und an der Kraft seiner Auferstehung teilzuhaben.“ (Lesslie Newbigin)

Missio Dei ist ein lateinischer Begriff, mit dem man ausdrücken will, dass Gott ein sendender Gott ist: Der Vater sandte den Sohn indie Welt. Der Vater und der Sohn sandten den Heiligen Geist in die Welt. Und Jesus sandte seine Jünger in die Welt: „Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.“ (Johannes 20,21) Gott ist ein sendender Gott. Bei diesem Denken steht diese Eigenschaft Gottes, sein Handeln im Mittelpunkt:

„Es ist nicht die Gemeinde Gottes, die eine Mission hat, sondern der missionarische Gott, der eine Gemeinde hat.“ (Rowan Williams)

Wenn diese Realität eine Gemeinde wirklich packt, hört sie auf, sich um sich selbst zu drehen. Sie wird verstehen, dass sie in die Welt gesandt ist, um durch Verkündigung, Zeugnis, Gottesdienst und praktische Dienste dieser Welt das Heil Gottes zu bringen. Nicht nur ist jeder einzelne Christ ein Missionar für sein Umfeld – die Gemeinde ist ein Missionar. Und als guter Missionar befasst sie sich mit folgenden Fragen:

  1. Was genau ist meine Botschaft?
  2. Was genau ist meine Mission?
  3. Wem soll ich diese Botschaft bringen/dienen?
  4. Werden sie die Botschaft verstehen?
  5. Sprechen wir die selbe Sprache?
  6. Haben wir das gleiche Weltbild?
  7. Welche Hindernisse gibt es?
  8. Wie kann ich lernen, unter ihnen zu leben, ohne meine Identität zu verraten?
  9. Welche Teile ihrer Kultur kann ich übernehmen, welche verändern, welche ablehnen?

Dabei folgt die Gemeinde dem Vorbild Jesu, der durch seine Menschwerdung und seine 30 Jahre der Vorbereitung genau durch diesen Prozess gegangen ist, um die Menschen zu erreichen. Die Welt um uns herum ändert sich. Deswegen muss sich die Gemeinde diese Fragen immer wieder stellen, um Gottes Auftrag treu bleiben zu können.

Als nächstes werde ich einen Eintrag posten, in dem Tim Keller erklärt, wodurch sich eine missionale Gemeinde in einer westlichen Großstadt in der Praxis auszeichnet, also wie sie diese Fragen beantwortet.


Notizen vom letzten Gebetstreffen

Am Samstag hatten wir ein gutes Gebetstreffen. Danke nochmal an Carlo, dessen Wohnung wir nutzen durften, und Anja und Janos für das Mittagessen! Für alle, die gerne da gewesen wären, hier eine ausführlichere Fassung von dem, was ich einleitend gesagt habe. Die Frage, die als Ausgangspunkt diente, war:

Was ist das höchste Ziel der Gemeinde?

Der amerikanische Ethiker und Theologe Richard Niebuhr schrieb einen interessanten Aufsatz über den Zweck der Gemeinde und ihrer Dienste. Er beschreibt, wie unterschiedlich die Frage nach der Aufgabe der Gemeinde beantwortet worden ist bzw. wird. Die einen sehen die Bekehrung des Einzelnen, die anderen die Erlösung der ganzen Gesellschaft als großes Ziel, wobei meistens klar ist, dass es hier nicht um eine Entweder-Oder-Frage geht. Dann vergleicht er die Tendenzen der Protestantischen und der Katholischen Traditionen. Die Protestanten neigen eher dazu, die Liebe und Hingabe zur Bibel als großes Ziel hochzuhalten, während die Katholiken die Liebe und Hingabe zur Kirche anstreben. Niebuhr schreibt:

„…in der Praxis ist das Konzentrieren auf das Buch eine Form der Selbstkorrektur, da die Bibel (wenn sie gewissenhaft studiert wird) nicht zulässt, dass jemand sie als höchstes Gut verehrt, oder ihre Verherrlichung als Endziel verfolgt. Sie zeigt immer von sich selbst weg – nicht so sehr zu ihrem Gefährten, den Menschen, als vielmehr zum Schöpfer, dem leidenden und auferstandenen Herrn und zu dem, der sie inspirierte. Das Gleiche gilt für die Gemeinde. Sie verliert ihre Identität als Gemeinde, wenn sie sich nur auf sich selbst konzentriert, sich selbst anbetet, oder versucht, die Liebe zur Kirche zum größten Gebot zu erheben.“

Statt dessen, so Niebuhr, gibt es ein Ziel, dass (meiner Meinung nach) vor Allem dadurch besticht, dass es 100%ig zum Wesen und Willen Gottes passt: dass die Liebe der Menschen zu Gott und der Menschen untereinander zunimmt. Dass mehr Menschen Gott kennen und lieben lernen, und dann – daraus fließend – lernen, einander so zu lieben, wie sie geliebt worden sind. Niebuhr schreibt:

„Die Bezeichnungen sind unterschiedlich: manche sprechen symbolisch von der Versöhnung mit Gott und den Menschen, andere von zunehmender Dankbarkeit für die Sündenvergebung, andere von der Verwirklichung des Gottesreichs oder dem Kommen des Geistes, wieder andere vom Annehmen des Evangeliums. Aber die einfachen Worte Jesu stellen für die meisten Christen die verständlichste Antwort dar(…). Wenn die Zunahme der Liebe zu Gott und dem Nächsten das höchste Ziel ist – wäre es möglich, dass ein Teil unserer Verunsicherungen und Konflikte in Kirchen und Seminaren darin begründet ist, dass wir darin versagen, dieses Ziel vor Augen zu behalten, und statt dessen damit beschäftigt sind, naheliegende Ziele zu verfolgen, die zwar wichtig sind, uns aber in Interessenkonflikt bringen, wenn man sie nicht in Bezug zu dem Endziel setzt?“

…und weiter:

„In der Sprache der Christen ausgedrückt ist die Liebe zu Gott und dem Nächsten sowohl „Gesetz“ als auch „Evangelium“. Sie ist sowohl die Anforderung, die der Bestimmer aller Dinge den Menschen auferlegt, als auch das gegebene Geschenk (…) in der Selbstaufgabe des Geliebten. Sie ist der Anspruch des Schöpfers an die unendlich aufstrebende menschliche Natur. Deren Perversion durch Götzendienst, Feindschaft und Egoismus ist das Herz der menschlichen Tragödie. Ihre Wiederherstellung, Neuausrichtung und Befähigung ist die Erlösung vom Bösen. Liebe zu Gott und dem Nächste ist das Geschenk, dass uns durch Jesus Christus gemacht wurde. Der bewies durch seine Fleischwerdung, seine Worten und Taten, seinen Tod und seine Auferstehung, dass Gott Liebe ist. Eine Liebesbekundung, die wir eher schlecht begreifen…aber trotzdem ausreichend erkennen, um davon zur Gegenliebe bewegt zu werden. Der Zweck des Evangeliums ist nicht einfach, dass wir an die Liebe Gottes glauben, sondern dass wir ihn und unseren Nächsten lieben. Der Glaube an Gottes Liebe zum Menschen wird durch unsere Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen vollendet.“

Wie kann eine Gemeinde dieses Ziel konkret erfüllen? Die Antwort auf diese Frage ist gleichzeitig die Vision für soulfire.

Wie die Gemeinde die Liebe zu Gott und den Menschen fördert

1. Liebe zu Gott

a) Durch Erkenntnis. Die Gemeinde muss die christliche Botschaft verkündigen. „Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben? Wie aber sollen sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie aber sollen sie hören ohne einen Prediger?“ (Römer 10,14) Durch die Verkündigung (Predigt, Lehre) verbreitet die Gemeinde die Erkenntnis Gottes. Menschen bekommen Informationen über den Gott der Bibel. (Natürlich geht es bei der Predigt um viel mehr als das, aber diese Information ist die Grundlage für das ‚viel mehr‘ der Predigt.)

b) Durch Erfahrung. Die Gemeinde soll den Menschen aber nicht nur von Gott erzählen, sondern einen Raum schaffen (bzw. dieser Raum sein), in dem diese Menschen eine Begegnung mit Gott haben können. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Johannes 13,35) Die Menschen sollen Gott erfahren können – indem sie christliche Gemeinschaft beobachten und selbst erleben. Dazu gehören meiner Meinung nach besonders gemeinschaftliche Gebets- und Anbetungszeiten, aber natürlich auch geistliche Gespräche, Predigten und der allgemeine Umgang miteinander. „Während er zuhört, werden seine geheimen Gedanken offenbar, und er wird auf seine Knie fallen und Gott anbeten und sagen: »Gott ist wirklich hier unter euch.«“ (1. Korinther 14,25; NL)

c) Durch Gehorsam. Die Erkenntnis Gottes, die man durch Predigten erlangt und die Erfahrungen, die man durch christliche Gottesdienste und Gemeinschaft macht, sollen letztendlich auf diesen Punkt hinauslaufen. Auch hier sind Predigt und Gemeinschaft wichtig: durch sie wird der Mensch herausgefordert und darin bestärkt, Gott zu gehorchen. „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Johannes 14,15) „Nachdem nun Gott die Zeiten der Unwissenheit übersehen hat, gebietet er jetzt den Menschen, dass sie alle überall Buße tun sollen“ (Apostelgeschichte 17,30).

2. Liebe zum Mitmenschen

Wodurch fördert die Gemeinde die Liebe der Menschen untereinander?

a) Durch echtes Interesse. „Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit. Das Gegenteil von Leben ist nicht Tod, sondern die Gefühllosigkeit.“ (Elie Wiesel; jüdischer Schriftsteller und Auschwitz-Überlebender). Der erste Liebesbeweis ist das echte Interesse an meinem Nächsten. In einer Gemeinde soll sowohl das echte Interesse am einzelnen Menschen als auch an den Nöten und Problemen der Stadt zu sehen sein.

b) Durch starke Präsenz. Wenn die Gemeinde ihren Einfluss ausüben will, darf sie sich nicht verstecken. Es geht nicht darum, dass sich eine Gemeinde einen Namen macht, um bekannt zu sein, und sich dann erfolgreich zu fühlen. Jesus fordert von seinen Nachfolgern, dass sie für alle sichtbar sind: „Ihr seid das Licht der Welt – wie eine Stadt auf einem Berg, die in der Nacht hell erstrahlt, damit alle es sehen können. Versteckt euer Licht nicht unter einem umgestülpten Gefäß! Stellt es lieber auf einen Lampenständer und lasst es für alle leuchten. Und genauso lasst eure guten Taten leuchten vor den Menschen, damit alle sie sehen können und euren Vater im Himmel dafür rühmen.“ (Matthäus 5,14-16; NL) Laut Jesus sollen wir besonders unsere Taten sprechen lassen. Die Gemeinde zeigt ihre Liebe zur Stadt durch ihre starke Präsenz. Aber auch dadurch, dass der Einzelne ausgerüstet und gestärkt wird, um in seinem alltäglichen Umfeld (Schule, Uni, Beruf, Familie, Freunde) ganz klar als Christ präsent sein kann.

c) Durch aufopfernden Dienst. Wir müssen Interesse zeigen, wir müssen präsent sein – und dann müssen wir dienen. Genauso wie selbst Jesus nicht kam, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. (Markus 10,45) Jesus diente den Menschen nicht nur durch Evangelisation. Er gab den Menschen Aufmerksamkeit, Liebe, Gerechtigkeit, Würde, Wahrheit, Heilung und Vergebung. Er war bereit, sich selbst zu opfern, damit diese Dinge in der Welt zunehmen können. Die Gemeinde ist dazu da, der Stadt zu dienen, sich für sie einzusetzen und aufzuopfern.

Liebe zu Gott und dem Nächsten – genauso lautet John Wesley’s Erklärung des Begriffs ‚Herzensreligion‘, genau das ist die Idee und die Vision von soulfire. Es ist das Feuer dieser Liebe, dass in unserem Innern (unserem Herzen, unserer Seele) brennen soll. Das ist mein Wunsch, meine Vision für Köln: dass durch soulfire Gemeinden die Liebe zu Gott (durch Erkenntnis, Erfahrung und Gehorsam) und die Liebe zum Mitmenschen (durch echtes Interesse, starke Präsenz und aufopfernden Dienst) in dieser Stadt zunehmen.