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Glaube, Liebe, Stadt. (Teil 3: Hoffnung für die Stadt)

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Glaube, Liebe, Stadt. (Teil 2: Liebe für die Stadt)

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Das Was und Warum der Liturgie

Christliche Gottesdienste können sehr unterschiedlich sein. Manche sind eher durchdacht und förmlich, andere eher spontan und informell. Um diese Unterschiede zu erklären unterteilt man oft in ‚liturgische‘ und ‚freie‘ Gottesdienste. Ich verstehe die Absicht dahinter, aber sprachlich gesehen ist es Unsinn, denn jeder Gottesdienst hat eine Liturgie.

Das Was

Liturgie bedeutet eigentlich nichts Anderes als die Gottesdienstordnung. Dabei spielen vor Allem drei Faktoren eine Rolle: Ort, Zeit und Ablauf. Sobald man in der Planung für einen Gottesdienst festlegt, wo man sich wann trifft, und was man dann wie und in welcher Reihenfolge tut, hat man eine Liturgie geschaffen.

Die verschiedenen Konfessionen, Traditionen und Denominationen haben in ihrer Liturgie auch unterschiedliche Riten. Selbst bei den ganz Freien und Spontanen werden zum Beispiel zum Gebet die Köpfe geneigt, die Hände gefaltet oder gehoben, die Augen geschlossen, und (je nach Grad der Amerikanisierung) das Gebet mit ‚in Jesu Namen‘ abgeschlossen. Beim Abendmahl liest man die Einsetzungsworte aus 1. Korinther 11. Selbst die halbstündige Worshipzeit ist Teil einer Liturgie aus der charismatischen Gemeindetradition. Jede Gemeinschaft entwickelt in ihrer Anbetung ihre eigenen Rituale und eigene Symbolik. Die Frage bei der Liturgie ist also nie, ob es sie gibt, sondern wie sie aussieht und was dahinter steht.

 

Das Warum

Bei Liturgie geht es nicht um Ästhetik – es geht um Theologie und um respektvolle Höflichkeit.“ (Eugene Peterson)

Im mosaischen Gesetz regelte Gott die Anbetung für sein Volk ziemlich detailliert. Dabei sollte sich Mose genau an die Vorgaben halten, die er gezeigt bekommen hatte. Die Liturgie der ersten Christen war in vielerlei Hinsicht einfach eine Fortführung der jüdischen Synagogengottesdienste. Die ‚liturgischen‘ Gottesdienste haben ihre Wurzeln also im Alten Testament und im Judentum zur Zeit von Jesus. Sie sind nicht – wie manche meinen – ein späteres Produkt einer geistlich toten und deswegen auf Äußerlichkeiten fixierten und institutionalisierten Staatskirche.

Das Neue Testament ist übersät mit Spuren der frühchristlichen Liturgie (Buchtipp zum Thema: Gottesdienst ist mehr von Thomas Schirrmacher). Aber eine Stelle ist besonders aufschlussreich: 1. Korinther 14.

Die Gemeinde in Korinth war sehr charismatisch – es gab viele übernatürliche Manifestationen von Gottes Gegenwart. Paulus ermutigt dazu, diese Gaben weiterhin zu suchen (12,31), und für das spontane Wirken des Heiligen Geistes offen zu bleiben, zu erwarten, dass Gott wirkt (14,5). Auf diesem Hintergrund macht er zwei Punkte, die helfen, das ‚Warum‘ einer durchdachten Liturgie zu beantworten.

  1. Liturgie spiegelt Gottes Wesen wieder – Gott ist kein Gott der Unordnung

Paulus rät nicht vom Sprachengebet ab, gibt aber konkrete Anweisungen: Nicht mehr als zwei oder drei, nacheinander, und nur mit Auslegung. Ähnlich beim prophetischen Reden: zwei oder drei, nacheinander, und nur mit Beurteilung. Für den Gottesdienst gilt: „Alles soll angemessen und ordentlich geschehen.“ (40) Seine theologische Begründung fasziniert: „Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.“ (33) Für Paulus war es wichtig, dass die Gottesdienstordnung Gottes Wesen widerspiegelt. Klarheit, Übersichtlichkeit und Ordnung bringen Ruhe („Frieden“) in den Gottesdienst. Und das entsprach für Paulus dem Charakter Gottes mehr als das spontane Durcheinander der korinther Gemeinde.

  1. Liturgie ist hilfreich für Besucher – Liebe in den Mittelpunkt

Der alles entscheidende Faktor war für Paulus die Liebe. Das bekannte Kapitel 13 ist ein Plädoyer dafür, die Liebe in den Mittelpunkt eines Gottesdienstes zu stellen.

Liebe für die anderen Christen: „Aber in einer Gemeindeversammlung spreche ich lieber fünf verständliche Worte, die anderen helfen, als zehntausend Worte in einer anderen Sprache.“ (14,19) Nicht die persönliche Selbstverwirklichung und die eigene Freiheit sollen im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage: Was hilft meinen Glaubensgeschwistern am ehesten weiter?

Liebe für Besucher: „Stellt euch nur einmal Folgendes vor: Ihr seid als ganze Gemeinde am selben Ort versammelt und fangt alle an, in Sprachen zu reden, ´die von Gott eingegeben sind`. Und nun kommen Leute dazu, die noch nicht viel oder noch gar nichts vom Glauben wissen. Werden sie nicht sagen: »Ihr seid verrückt!«? Und dann stellt euch vor, ihr alle verkündet prophetische Botschaften. Wenn jetzt jemand dazukommt, der vom Glauben nichts oder nicht viel weiß, macht alles, was ihr sagt, ihm bewusst, dass er ein Sünder ist. Durch alles, was er hört, sieht er sich zur Rechenschaft gezogen, und seine verborgensten Gedanken kommen ans Licht. Er wird sich niederwerfen, um Gott anzubeten, und wird ausrufen: »Gott ist wirklich in eurer Mitte!« (23-25; NGÜ) Paulus war seeker sensitive. Er machte sich darüber Gedanken, welche Reaktionen bei einem Nichtchristen durch das Verhalten von Christen im Gottesdienst hervorgerufen werden könnten. Eine durchdachte Liturgie macht es möglich, die Liebe (vor Allem zum nichtchristlichen Besucher) wirklich in den Mittelpunkt zu stellen. Das völlig Freie und Unüberlegte kann Besucher leicht verunsichern und oberflächlich oder flapsig wirken. Und gerade wegen dem großen Kontrast zum hektischen, unordentlichen und überfordernden Innenstadtleben kann ein ordentlicher, übersichtlicher Gottesdienst für einen Besucher wirklich wohltuend sein!

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Die Stadt – Lothar Kosse

Hier ein Auszug von einem neuen Lothar Kosse-Lied mit dem Titel „Die Stadt“. Er hat es im Blick auf Köln geschrieben, und es drückt die Vision aus, die er für diese Stadt hat:

Es ist das Wesen einer Stadt

Zu schützen was sie hat

Und am Tage und bei Nacht

Dem der sucht den Weg zu weisen

In ihren Mauern wird er frei sein

Und als Zeichen dieser Freiheit

Sind die Fahnen gehisst

Weil jeder hier willkommen ist

Alle Tore stehen weit offen

Für alle die auf Hilfe hoffen

Diese Stadt die sind wir

Wir leuchten in ihr

Und es werden immer mehr

Man sieht sie schon von weitem

Für alle Reisenden zum Zeichen

Das ist das Wesen dieser Stadt

Sie ist auf Ewigkeit erdacht

Hier herrscht Frieden denn sie hat

Den Herrn auf Ihrer Seite

Er wird niemals von ihr weichen

Die Stadt die auf dem Berge liegt

Kann nicht verborgen bleiben

Ihr Licht wird immer scheinen

Die Stadt die auf dem Berge liegt

Sie wird uns Heimat sein

Und nicht einer bleibt allein


soulfire DNA – Teil 10: Kontextualisierung

Im letzten Teil der soulfire DNA-Serie geht es um die Frage, wie man die christliche Botschaft auf eine relevante Art und Weise in einen bestimmten kulturellen Kontext tragen kann. Kontextualisierung ist in der Bibel ein wichtiges Thema. Das Alte Testament ist der Kontext des Neuen Testaments. Als Jesus Mensch wurde, kontextualisierte sich Gott, um die Menschen zu erreichen und erretten. Die Apostel auf dem ersten Konzil in Jerusalem (siehe Apostelgeschichte 15) aber besonders Paulus hatten ein tiefes Verständnis von kulturellen Unterschieden, Feinheiten, und der Herausforderung, das Evangelium von einer Kultur in eine andere zu bringen.

Alle Menschen sind sich darin gleich, dass sie Sünder sind. (Sünde beschreibt einen Zustand der Unabhängigkeit von Gott, in dem man sein eigener Herr und Retter sein will – sei es durch religiöse Selbstverleugnung oder areligöse Selbstbestimmung.) Gleichzeitig sind Menschen aber auch sehr unterschiedlich. Das sieht man besonders darin, wie sie gemeinschaftlich leben: in den unterschiedlichen Kulturen. Unterschiedliche Kulturen haben unterschiedliche Sprachen, unterschiedliche Werte, unterschiedliche Götzen (Wege, wie sie ihre angeborene Religiösität ausleben), unterschiedliche Fragen. Unterschiedliche Kulturen gibt es nicht nur in den verschiedenen Ländern, sondern auch innerhalb der Länder in den verschiedenen Generationen. Jede Form von Christentum ist immer auch von der Kultur geprägt, in der es gelebt wird. Tim Keller schreibt:

Es gibt kein „un-kontextualisiertes“ Christentum. Jesus kam nicht als verallgemeinertes Wesen auf diese Erde. Mensch zu werden bedeutete für ihn, ein bestimmter Mensch zu werden. Er war männlich, jüdisch, Arbeiterklasse. Es bedeutete ebenfalls, dass er als Mensch in ein bestimmtes soziales und kulturelles Umfeld hineingeboren wurde. Um zu dienen müssen wir inkarnieren, so wie Jesus es getan hat. Christliche Praktiken müssen sowohl eine biblische als auch eine kulturelle Form annehmen. Die Bibel weißt uns zum Beispiel dazu an, Gott durch Musik zu preisen. Aber sobald wir uns dann entscheiden, welche Musik wir dazu verwenden, begeben wir uns in den Bereich der Kultur. Sobald wir eine Sprache wählen, ein bestimmtes Vokabular, ein bestimmtes Level an emotionalem Ausdruck oder Intensität, sobald wir eine bestimmte Illustration in unserer Predigt verwenden, nähern wir uns dem sozialen Kontext der einen Menschen an und entfernen uns gleichzeitig vom sozialen Kontext anderer Menschen. Am Pfingsttag hörten alle die Predigt des Petrus in ihrer eigenen Sprache, ihrem eigenen Dialekt. Aber seitdem können wir nicht mehr gleichzeitig ‚allen Menschen alles werden‘. Deshalb ist die Anpassung an die Kultur unumgänglich.“ (Keller)

Kulturen sind unglaublich verschieden. Es gibt Kulturen, in denen es eine Tugend ist, zu verraten oder zu morden. In anderen Kulturen ist es sogar schon verpönt, jemandes Gefühle zu verletzen. Während die einen die Erhaltung der Familienehre als Lebensinhalt haben, dreht sich bei anderen alles darum, konsequent seinen eigenen Weg zu gehen.

Inwiefern ist die Frage nach dem kulturellen Kontext wichtig, wenn ich die christliche Botschaft zu den Menschen bringen, sie ihnen mit Worten und Taten verkündigen will? Die Antwort wird deutlich, wenn man beginnt, sich folgende Fragen zu stellen: Werden die Menschen, die ich erreichen will, meine Worte verstehen? Werden sie mein Handeln richtig deuten? Wie kann ich mit ihnen kommunizieren? Zum Kontextualisieren gehören 3 Schritte:

1. Schritt: die Botschaft kennen.

Von Anfang an war den Christen klar, dass es nicht darum ging, für jede Generation oder jede Kultur eine neue ‚frohe Botschaft‘ zu finden. „Die Schrift ist nicht ein Picknick, bei dem der Autor die Worte mitbringt und die Leser die Bedeutung.“ (Newbigin) Wir fragen uns beim Kontextualisieren also nicht einfach: „Was wäre jetzt für diese Kultur eine frohe Botschaft?“ Nein: Jesus hat seiner Gemeinde das Evangelium anvertraut. Sie soll diese Botschaft hüten, verwalten und verbreiten. Der überlieferte Glaube ist der Gemeinde „ein für allemal anvertraut“ (Judas 3). Paulus nennt die Gemeinde des lebendigen Gottes den „Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit. Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“ (1. Timotheus 3,15-17) Die Väter, Doktoren und Lehrer der Kirche waren stets damit beschäftigt, Wahrheit und Lüge fein säuberlich von einander zu trennen. So wurden Irrlehrer klar benannt, und entstanden auf den ökumenischen Konzilen die wichtigen Glaubensbekenntnisse.

Unsere Aufgabe ist es, diese Botschaft wirklich zu kennen und zu verstehen. Wir müssen sehr vertraut mit ihr sein, und ihre Kraft nicht nur theoretisch kennen. Die christliche Botschaft kann man mit einem Päckchen Dynamit vergleichen – der Glaube zündet die Lunte. So wird die reinigende, heilende, lebensverändernde Kraft freigesetzt, sie entfaltet ihre volle Wirkung.  Oder mit einem Samenkorn, dass in die Erde eingepflanzt, bewässert und gewärmt werden muss, um ‚lebendig zu werden‘. Kenne ich die christliche Botschaft? Verstehe ich sie? Erlebe ich täglich ihre Kraft?

Zum verstehen der Botschaft gehört allerdings auch, dass ich realisiere, dass auch mein persönliches Verständnis des Evangeliums immer von meinem eigenen kulturellen Hintergrund geprägt ist. Ein kulturell neutrales Evangelium gibt es genauso wenig wie eine neutrale Sprache. Lesslie Newbigin schreibt:

Wir müssen bei der grundlegenden Tatsache beginnen, dass es kein reines Evangelium gibt – wenn damit eine Botschaft gemeint ist, die nicht innerhalb einer bestimmten Kultur verkörpert wurde. Die Bedeutung des einfachsten, verbalen Statements des Evangeliums, „Jesus ist Herr“, ist von dem Inhalt abhängig, den die jeweilige Kultur dem Wort „Herr“ gibt.“

Um kontextualisieren zu können, muss ich meine eigene Kultur und die Kultur desjenigen kennen, den ich mit der Botschaft erreichen will. Dann kann ich von der einen ‚Sprache‘ in die andere ‚Sprache‘ übersetzen.

2. Schritt: den Kontext studieren.

Die Menschen, mit denen ich es zu tun habe, wirklich zu kennen und zu verstehen ist ein Beweis dafür, dass ich diese Menschen liebe. Liebe ist niemals oberflächlich, sie will tief in die Gedanken vor- und in das Herz eindringen. Außerdem ist es notwendig, um sicher zu stellen, dass meine beabsichtigte Botschaft auch wirklich ankommt. Man kann die gleichen Begriffe gebrauchen, und trotzdem etwas völlig Unterschiedliches damit meinen.

Man kennt das vielleicht aus einer Liebesbeziehung. Wenn ich meinen Partner liebe, will ich ihn wirklich verstehen. Ich will sicher stellen, dass er wirklich versteht, was ich ihm sagen will. Deswegen ’studiere‘ ich meinen Partner. Ich will alles über ihn/sie wissen.

Genau so sind Christen als Botschafter von Gottes Liebe in ihr Umfeld gestellt, in ihre Welt gesandt. Dort sollen sie ihre Mitmenschen lieben, indem sie ihnen dienen und ihnen die wichtigste Botschaft der Welt vermitteln. Deswegen ist es nicht möglich, Gott in der Welt zu bezeugen, wenn ich mit dieser Welt nicht vertraut bin.

Es gab eine Phase in der Missionsgeschichte der Kirche, in der das nicht klar war. Und so brachte man den Menschen, die man ‚missionieren‘ wollte, nicht nur das Evangelium, sondern auch noch westliche Kleidung, Sprache, Lebensgewohnheiten, Regierungen, Währung, Politik – kurz: westliche Kultur. Kolonialisierung. Man trennte nicht zwischen Evangelium und Kontext. Das größte Problem dabei war die Herrschaftsbeziehung zwischen Missionaren und den zu erreichenden Menschen: der Glaube wurde den Menschen nicht vermittelt, sondern übergestülpt oder aufdiktiert.

Dann begriff man, dass sich etwas ändern musste, und fing an, Missionare gezielt auf die Kultur vorzubereiten, in welcher der Dienst getan werden sollte. Missionare passten sich der Sprache und Kultur an, lebten mitten unter den Menschen. Sie studierten den Kontext, um dann darin Jesus effektiv zu bezeugen. Sie stellten die wichtigen Fragen: Welche Teile der Kultur spiegeln bereits das Evangelium wieder, und können deswegen behalten und bestätigt werden? Welche Teile der Kultur widersprechen dem Evangelium und müssen deswegen konfrontiert und korrigiert werden? Welche Teile der Kultur sind „neutral“, und können für das Evangelium eingenommen und eingesetzt werden?

Doch was hat das jetzt alles mit unserer geplanten Gemeindegründung in Köln zu tun? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Weltmission und Gemeindegründungen von Einheimischen? Es war der (bereits zitierte) schottische Bischof Lesslie Newbigin, der einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage leistete. Den Einfluss, den er im 20. Jahrhundert im Bereich Missiologie ausübte, war enorm. Als Missionar arbeitete er jahrzehntelang in Madras/Südindien. Dort sammelte er sehr viel praktische Erfahrung, was Evangelisation, Mission und Kontextualisierung anging. Als er nach Großbritannien zurückkehrte, fiel ihm auf, dass die Christen in der modernen westlichen Welt es versäumt hatten, das Evangelium für die Moderne zu kontextualisieren. Aufgrund der schnellen und drastischen gesellschaftlichen Veränderungen geschah Mission/Gemeindegründung im eigenen Land nicht mehr auf dem selben Hintergrund wie 100 Jahre zuvor. Das Evangelium musste neu kontextualisiert werden. Sein theologisches Lebenswerk entstand durch die Vertiefung dieses Themas.

Für die soulfire-Gemeindegründung bedeutet das, dass die Kultur der Stadt Köln studiert werden muss. Ich bin zwar Deutscher, aber die Unterschiede zwischen Provinz und Großstadt und zwischen liberalen Rheinländern und konservativen Südwestfalen sind groß. Wir wollen Köln kennen, verstehen und lieben lernen. Wir wollen in die Sprache, die Symbolik, die Geschichte der Stadt eintauchen. Die große Frage lautet: Wie muss es aussehen, wenn das Evangelium in Köln lebendig wird?

3. Schritt: die Fusion bewirken.

Die Fusion wird bewirkt, indem die richtigen Fragen gestellt, die richtige Botschaft gepredigt und das richtige Leben gelebt wird.

a) Die richtigen Fragen stellen: Wie kann ich den ‚Geist‘ einer Stadt, ihre Seele, kennenlernen? Was ist die symbolische Geschichte, über welche sich die Stadt definiert, nach der sie lebt (Metanarrative)?

b) Die richtige Botschaft predigen: Die Botschaft muss prophetisch sein. Die Propheten waren die Stimme Gottes aus dem Volk und für das Volk. Ihre Botschaft zeichnete sich nicht nur dadurch aus, dass sie theologisch korrekt war, sondern dass sie die Menschen in ihrer spezifischen Situation ansprach. Die Propheten lehrten, trösteten, überführten und konfrontierten ihr Volk auf einzigartige Weise. Sie durchbohrten Herzen. Sie hatten zwar auch oft eine Botschaft für die umliegenden Völker, doch die Priorität lag auf den eigenen Leuten. „Wahre Kontextualisierung räumt dem Evangelium seinen rechtmäßigen Vorrang ein: seine Kraft, jede Kultur zu durchdringen und in ihrer eigenen Sprache und ihren Symbolen in sie hinein zu sprechen, und zwar das Nein und das Ja, sowohl Gericht als auch Gnade.“ (Lesslie Newbigin)

c) Das richtige Leben leben: Das Evangelium wurde der christlichen Gemeinschaft anvertraut. Sie sollen das Evangelium bekennen, predigen und bezeugen. Christen sind dazu bestimmt, die Botschaft Gottes für ihre Stadt gemeinsam zu verkörpern. An der christlichen Gemeinschaft in einer Stadt sollen die Nichtchristen sehen können, wie es aussehen wird, wenn Gott diese Stadt regiert. Sie sind der Vorgeschmack des Himmels auf Erden in der jeweiligen Stadt.


soulfire DNA – Teil 7: Eine Gemeindegründungsbewegung

Wir hoffen und beten, dass mit der soulfire-Gemeindegründung nicht nur eine einzelne neue Gemeinde in Köln entsteht, sondern eine Bewegung losgetreten wird. Was man sich genau unter einer Gemeindegründungs- bewegung vorzustellen hat, und warum sie so wichtig ist, darum geht es in diesem Artikel.

Was ist eine Gemeindegründungsbewegung?

Einer der Fachleute zu diesem Thema, David Garrison, schreibt, dass man eine Gemeindegründungsbewegung (GGB) anhand von drei Charakteristika identifizieren kann:

1. Geschwindigkeit. Ein wichtiger Faktor bei einer GGB ist die Geschwindigkeit, in der neue Gemeinden entstehen. Wenn es Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauert, damit an einem Ort oder in einem Land einige neue Gemeinden entstehen, sollte man wahrscheinlich eher nicht von einer Bewegung sprechen. Bei einer GGB entstehen neue Gemeinden in ungewöhnlich hoher Geschwindigkeit. Bei Redeemer ist das gesteckte Ziel jeder Gemeinde die Gründung einer Tochtergemeinde alle 3-5 Jahre.

2. Wachstum. Der zweite Faktor ist exponentielles Wachstum. D. h., jede gegründete Gemeinde gründet selber regelmäßig neue Gemeinden. Das Gründen von neuen Gemeinden ist in die DNA eingebaut. Es geschieht nicht zufällig, sondern absichtlich, regelmäßig und strategisch. Praktisch gesehen heißt das: Jede gegründete Gemeinde befindet sich immer an irgendeinem Punkt im Prozess der nächsten Gemeindegründung (Beten, Suchen, Vision entwickeln, Planen, Vorbereiten, Senden, Unterstützen).

3. Einheimische. Der dritte Faktor in Garrisons Definition von Gemeindegründungsbewegung ist, dass sie nicht von außen durch Missionare, Pastoren und Leiter aus dem Ausland gespeist wird. Von Anfang an zieht die GGB ihre zukünftigen Gründer und Pastoren aus dem eigenen Land. Diese sind sensibler dafür, wie das Evangelium in ihrer eigenen Kultur funktioniert. Außerdem entstehen auf diese Weise in jeder Hinsicht selbständigere (und damit robustere) Gemeinden.

„Eine Gemeindegründungsbewegung ist eine schnelle und exponentielle Vermehrung von einheimischen Gemeinden.“ (David Garrison)

Warum braucht man eine Gemeindegründungsbewegung?

Zuerst muss man verstehen, wie Gott diese Welt segnen, heilen und retten will. „Die Gemeinde ist Gottes Plan A um diese Welt zu erreichen. Es gibt keinen Plan B.“ (Chris Tomlin) Als Jesus diese Erde verließ, hinterließ er nicht nur ein paar verstreute Anhänger, oder eine neue Weltreligion. Er hinterließ eine völlig neue Gemeinschaft: die Kirche/Gemeinde. Sie soll die christliche Botschaft leben und verkündigen. Sie soll Gottes Wirken und Reden zu den Menschen bringen. Überall, wo Gott wirkt, entstehen auf kurz oder lang neue Gemeinden. Nur durch sie erfüllt sich der Auftrag Jesu, alle Menschen zu Jüngern zu machen, indem sie gelehrt und getauft werden, in großem Stil. (Um dieses Thema zu vertiefen empfiehlt sich die Lektüre von Tim Kellers Vortrag „Warum Gemeinden gründen?“)

„Die Gemeinde ist Gottes Plan A um diese Welt zu erreichen. Es gibt keinen Plan B.“ (Chris Tomlin)

Gemeindegründungsbewegungen sollten eigentlich normal sein. Eine geistlich starke, gesunde Gemeinschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich nach außen orientiert und ausstreckt. Leider spielt häufig das Gründen neuer Gemeinden als effektivste und biblischste Möglichkeit dazu eine viel zu kleine Rolle. Man beschränkt sich oft auf die Missionsbemühungen einzelner Christen oder den Evangelisationsmöglichkeiten der jeweiligen Gemeinde.

Gemeinden/Kirchen sind sehr unterschiedlich. Diese Vielfalt ist kein dramatisches Problem, sondern eine unglaubliche Chance. Denn auch die Menschen, ihre Nöte, Vorlieben und Bedürfnisse sind völlig verschieden. Deswegen braucht es zum einen alle bestehenden Gemeinden/Kirchen einer Stadt, um dieser effektiv dienen zu können. Zum anderen braucht es aber auch eine Gemeindegründungsbewegung, um eine ausreichende Menge an christlichen Kirchen in einer Stadt sicherstellen zu können, und alle Menschen erreicht werden.

Das gemeinsame Ziel der Kirchen und Gemeinden einer Stadt sollte es sein, den vielfältigen Segen und die Liebe Gottes in die Stadt zu tragen. Das Königreich Gottes soll die Stadt von innen heraus mit Vergebung und Heilung durchdringen, so wie Hefe einen Teig durchdringt.

»Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig. Eine Frau nimmt eine Hand voll davon, mengt ihn unter einen halben Sack Mehl, und am Ende ist die ganze Masse durchsäuert.« (Jesus Christus, Matthäus 13,33; NGÜ)

Diese Transformation der Gesellschaft geschieht durch eine Vielzahl an aktiven Ortsgemeinden, die untereinander vernetzt sind. Für diese Vielzahl braucht es eine Gemeindegründungsbewegung.


soulfire DNA – Teil 5: Die Stadt

Während es sich bei den ersten vier Teilen um wichtige Eigenschaften aus der Calvary Chapel Bewegung gedreht hat, werde ich in den folgenden Artikeln die Grundwerte der Redeemer Gemeindegründungsbewegung behandeln. Die Redeemer ‚core values‘ sind ebenso das Herzstück des CMP-Netzwerks, von dem Luci und ich ein Teil sind. Heute geht es um die Rolle der (Groß)stadt. Dabei will ich folgendes vorweg nehmen: es geht nicht darum, dass Christsein oder Gemeindegründung in Großstädten per se besser oder richtiger wäre. Oder dass die Menschen auf dem Land die christliche Botschaft weniger bräuchten, als die Stadtmenschen. Tatsächlich geht es nur darum, ein momentan vorhandenes Ungleichgewicht auszubalancieren. Denn die christliche Präsenz in deutschen Großstädten ist vergleichsweise schwach. Und die Gründe dafür sind eher beunruhigend.

Raus aus der Stadt?

Konservative Menschen fühlen sich in Städten häufig nicht so wohl wie auf dem Land. Städte sind pluralistischer, toleranter, individualistischer und liberaler. Für konservative Christen sind Großstädte oft das Sinnbild für Gottlosigkeit. Klassische Werte, konservative Lebensgestaltung und ein klar aufgeteiltes Weltbild – diese Dinge finden sich eher in ländlichen Gegenden. Im Neuen Testament steht die Stadt Babylon symbolisch für ‚die Welt‘, eine gottlose, von Ihm unabhängige Gesellschaft. Darin sehen viele konservative Christen anscheinend auch eine Bestätigung dafür, dass sie ähnliche Gefühle gegenüber der Großstadt hegen wie der Prophet Jona für die Stadt Ninive. Jona hatte kein Mitleid für die Stadt. Er war nicht bloß gleichgültig dem Schicksal der Menschen Ninives gegenüber – er wünschte sich, dass Gott die Stadt für ihre Gottlosigkeit dem Erdboden gleich machen würde. Was Jona hingegen sehr wichtig war, war sein eigenes Wohlergehen. Er beschwerte sich darüber, dass Gott eine Pflanze, in deren Schatten Jona Platz genommen hatte, um sich den Untergang Ninives in Ruhe anzuschauen, verdorren ließ.

Gottes Liebe für die Stadt

Die Geschichte von Jona findet ihren Höhepunkt darin, dass Gott Jona zur Rede stellt. Und in diesem letzten Satz des Buches wird der Kontrast zwischen Jona und Gott deutlich: »Dir tut es Leid um den Busch, obwohl du nichts getan hast, um ihn entstehen zu lassen. Er wuchs in einer Nacht und verging über Nacht. Ninive aber hat über 120.000 Einwohner, die nicht zwischen links und rechts unterscheiden können, ganz zu schweigen von den vielen Tieren. Sollte ich eine so große Stadt nicht schonen?«

Genau genommen tat es Jona nicht leid um den Busch – er tat sich selber leid. Jetzt hatte er doch seinen Auftrag erfüllt, hatte er da nicht den Segen Gottes verdient? Daraus wird klar, dass Jona Gott nicht wirklich kannte. Denn Gott ist gnädig, er handelt an den Menschen nach Gnade, nicht nach Verdienst.  Im Kontrast zu Jona bezeugte Gott sein Mitleid mit den Menschen in Ninive. Er hatte das, was Jona fehlte: Liebe. Gott war nicht gleichgültig. Er sah die Einwohner dieser Stadt als Bedürftige, denen er helfen wollte. Er fand keinen Gefallen daran, sie einfach zu vernichten. Er nennt – interessanterweise – die Einwohnerzahl Ninives: 120.000. Warum war ihm diese Zahl wichtig? Weil Gott den Menschen liebt, und Großstädte sind randvoll davon. Hundertzwanzigtausend Einwohner waren für Gott 120.000 Gründe, Ninive nicht zu zerstören.


Gottes Plan mit der Stadt

Viele Menschen in der westlichen Welt haben ein romantisches Verhältnis zu Natur und Einsamkeit. Hinzu kommt, dass unsere Gesellschaft stark individualistisch ist. Oft findet sich dieses Denken auch in den Gemeinden und Kirchen wieder. Und wir projezieren es auf unsere Vorstellung vom himmlischen Zustand, vom Paradies, vom Himmel auf Erden. Wir denken vielleicht an den Garten Eden, und stellen uns dabei wild gewachsene, vom Menschen unberührte Natur vor. Oder wir denken beim Himmel nur an ‚Jesus und mich, wie zwei Verliebte, für immer vereint‘. Doch die Bibel gibt uns ein anderes Bild. Nicht so romantisch, nicht so egozentrisch.

Am Ende der Bibel, im Buch Offenbarung, beschreibt Johannes, wie es aussehen wird, wenn der Himmel auf die Erde herabkommt, und sich mit ihr vereint: „Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen wie eine schöne Braut, die sich für ihren Bräutigam geschmückt hat.“ (Offenbarung 21,2; NL) Die Geschichte Gottes mit den Menschen beginnt in einem von Gott angelegten Obstgarten – aber sie endet mit einer Stadt. Der Baum des Lebens, der zuvor im Garten Eden stand, befindet sich nun mitten in der Stadt. Und die schöne Braut ist nicht eine einzelne Person, sondern eine Gruppe von Menschen. Hier ist die biblische Vision vom Himmel: viele Menschen leben gemeinschaftlich, organisiert zusammen, und Gott ist mitten unter ihnen. „Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein.(…) Kein Tempel war in der Stadt zu sehen, denn der Herr, Gott, der Allmächtige, und das Lamm sind ihr Tempel. Und die Stadt braucht keine Sonne und keinen Mond, damit es in ihr hell wird, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet die Stadt, und das Lamm ist ihr Licht.“ (Offenbarung 21,3.22-23; NL)

Das ist Gottes himmlischer Plan für die Stadt. Aber sie spielt auch eine Rolle in seinem Plan für jetzt und hier. Das wird sichtbar, wenn man sich den Beginn und die frühsten Stunden der christlichen Gemeinde anschaut. Die Gemeinde wurde in einer Stadt geboren (Jerusalem). Einen Grund dafür sehen wir in Apostelgeschichte, Kapitel 2: „Zum Fest waren viele fromme Juden aus aller Welt nach Jerusalem gekommen.“ (Vers 5; HFA) Die Stadt war voll mit Menschen. Anlässlich des jüdischen Feiertags waren Juden aus der ganzen Welt nach Jerusalem gekommen. Dies war kein Zufall, sondern Gottes Strategie zur Ausbreitung des Evangeliums und damit der Gemeinde. Diese Menschen sahen und hörten das Wirken des Heiligen Geistes, sie wurden von Gott durch die Predigt angesprochen, und sie wurden zu Jesusjüngern.

Jesus hatte seinen Jüngern den Auftrag gegeben, das Evangelium in die Welt zu tragen. Die ersten Missionare, von denen die Apostelgeschichte berichtet, verfolgten dabei eine klare Strategie: sie gingen in die Provinzhauptstädte. Dort gründeten sie eine Gemeinde, die sich selbst vervielfachte. Auf diese Weise breitete sich das Evangelium rasend schnell im römischen Reich aus. Die damalige Welt war auf diese Weise schon einige Jahrzehnte nach Pfingsten mit dem Evangelium erreicht. Dass Paulus das Herz Gottes hatte, sieht man daran, dass er ständig von der brennenden Sehnsucht umgetrieben wurde: er wollte unbedingt nach Jerusalem, und dann nach Rom. Diese Großstädte ließen ihm keine Ruhe.

Es fällt uns leicht, uns darüber zu beschweren, wie gottlos unser Land ist. Wie wenig Christliches in unserer Kultur, in unserer Gesellschaft überlebt hat. Aber könnte diese Entwicklung nicht die logische Konsequenz davon sein, dass wir die Großstädte gefürchtet und gemieden haben?


Fazit: Rein in die Stadt!

Ich denke, die Antwort lautet ‚Ja‘. Wir haben uns von Angst und Unsicherheit, aber auch von religiöser Selbstgerechtigkeit leiten lassen, und dabei Gottes Herz und Gottes Plan völlig (aus den Augen) verloren. Es ist Zeit, umzukehren, und die zentrale Rolle anzuerkennen, welche die Stadt in seinem Herzen einnimmt. Bist du dabei?